Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 112
Wiedervereint im Compound wurde wie so oft das weitere Vorgehen besprochen. Ich musste allerdings gestehen, nicht voll bei der Sache zu sein. Immer wieder kritzelte ich in mein Notizbuch, in Gedanken halb bei dem Rätsel. So entging mir auch fast, wie Krathus in Richtung Toilette entschwand. Erst als Ralkarion plötzlich zusammenzuckte und bemerkte, dass der Zauber auf Krathus vorzeitig abgebrochen geworden war, wurde ich aufmerksamer. Das war kein gutes Zeichen, doch in Panik verfallen würde kaum jemandem helfen. So bot ich an, zunächst einmal nachzusehen, ob er zu Razora gelaufen war. Noch halb in Gedanken bemerkte ich kaum, dass ich durch die Tür ging ohne sie zu öffnen. Eigentlich hatte ich das mittlerweile recht gut unter Kontrolle… das Rätsel vereinnahmte mich zu sehr. Mit Gewalt schüttelte ich den Gedanken daran ab, steckte mein Notizbuch weg und machte mich auf den Weg zu Razoras Zelt. Angesichts der Erzählungen von Ralkarion ließ ich beim Eintritt Vorsicht walten. Nichtsdestotrotz war unser Gespräch nur mäßig ergiebig, jedoch ergiebig genug um zu erfahren, dass Krathus nicht hier gewesen war. Razora bat mich, sie im Zweifel den Aufenthaltsort von Krathus wissen zu lassen und ich kehrte etwas ratlos zu Ralkarion und Garret zurück.
Das Rätsel löste sich zumindest teilweise, als es kurz darauf an der Tür klopfte. Jedoch ließ der Fakt, dass der Bote Steffge war, der mich noch vor kurzem verzaubert hatte, vertrieb jeden Gedanken an Krathus mit kaum verhohlener Feindseligkeit. Seine Botschaft brachte zwar den Gedanken an Krathus zurück, drängte jedoch die Wut nicht zurück. Seiner Aussage nach war Krathus statt auf Toilette zu gehen zu dem Rätsel gegangen und hatte damit einen magischen Zirkel geöffnet und war hindurchgegangen, nach Steffges Ansicht nach war er somit tot. Mochte sein, aber das musste überprüft werden. Verfluchter Kobold… Nach ein paar weiteren unfreundlichen und somit hochverdienten Worten machten wir uns also wieder auf den Weg zum Rätsel. Das mich natürlich sofort wieder in den Bann schlug und mit ein wenig Hilfe öffnete sich auch für uns das Portal. Wenngleich es mir gehörig missfiel, für Krathus’ Extratour alles zu verzögern, ging ich kurzerhand achselzuckend hindurch.
Um direkt darauf in einem recht gut gearbeiteten Raum einer großen, weißen Schlange gegenüberzustehen. Mit Armen. Ein Yuan-Ti? Ich zog meinen Bogen, bemerkte dann jedoch, dass die Schlange nicht feindselig schien und uns dann sogar in Schstanar begrüßte, als Ralkarion und Garret ebenfalls durch das Portal traten. Garrets Reaktion bot einen Vorgeschmack auf das, was mir heute und morgen noch blühen würde - er schoss an mir vorbei und verpasste der Schlange eine gesalzene Ohrfeige. Offenbar handelte es sich um ihren ehemaligen, transformierten Gefährten Harkis. Zum Glück ließen weitere Ausbrüche Garrets (erstmal) auf sich warten, dennoch hatte sein Auftritt bereits Schaden angerichtet, da Harkis nun offen lamentierte, ob er uns das Angebot, das er machen wollte, noch machen wolle. Ganz gleich, wie unvorteilhaft dieses für uns sein mochte, in jedem Fall hatte Garrets Verhalten unsere Verhandlungsposition geschwächt. Doch zunächst bedeutete und Harkis, ihm zu folgen. Dabei bemerkte ich gerade noch rechtzeitig, wie Harkis eine Art kleinen Hüpfer hinlegte, was ich ihm gleichtat, doch Ralkarion, der offenbar abgelenkt war, hatte weniger Glück und fiel durch ein sich plötzlich auftuendes Loch in einem recht gemütlichen, aber auch sehr tiefen Raum. Ich begann, einen Zauber zu wirken, der ihn wieder heraufholte, doch Ralkarion sorgte schlicht selbst für seine Rückkehr nach oben, so dass mir nicht mehr übrig blieb, als mich nach seinem Befinden zu erkunden. Glücklicherweise hatte er den Sturz gut überstanden, was ich erleichtert zur Kenntnis nahm. Wenigstens einen Gefährten zu haben, der halbwegs bei Verstand war, würde hier sicher bitter nötig sein.
Schon um die nächste Ecke bot sich ein weiteres, eher erschreckendes Bild: Krathus, der über einen Kuchen geneigt am Essen war. Und dazu eine weitere, seltsam vertraut wirkende Schlange, die ein Messer über ihn hob. Um nicht auch noch die letzte Chance auf Diplomatie zu verschwenden, wirkte ich einen Zauber, der die Schlange an einen anderen Ort im Zimmer teleportiert hätte, wenn es nicht widerstanden hätte. Das es dennoch irritiert den Kopf drehte, lag wohl eher daran, dass Garret der nächsten Schlange eine Schelle verpasste. Glücklicherweise stellte sich schnell heraus, dass es lediglich ein Missverständnis war und „Miss Caulde” Krathus lediglich den Kuchen schneiden wollte.
Bei dem Namen zuckte ich zusammen. Caulde? Hatte er CAULDE gesagt? Das erklärte das vertraute Gefühl bei ihrem Anblick. Und kurz darauf erkannte auch Arina mich. Meine erste Reaktion war kaum gebändigter Zorn. Ich nahm an, dass Arina eine Agentin der Yuan-Ti gewesen war, die sich in die Personen einreihte, die mich mein Leben lang belogen oder Geheimnisse vor mir behalten hatten. Erst langsam flaute dieser Zorn ab und verwandelte sich in vorsichtiges Mitleid, als Arina erzählte, wie es zu ihrem Hiersein gekommen war. An dem Tag, als sie verschwunden war, hatte sie einen Auftrag für die Baronesse erledigen müssen, im Zuge dessen sie mit einem Blutfluch belegt worden war, der um das Anwesen der Baronesse herum wirkte. Der Fluch ließ sie rapide altern, doch niemand konnte oder wollte ihr helfen, nicht einmal meine Mutter und so war sie in die Wüste gewandert, um Hilfe zu finden. Hier hatten sie die Yuan-Ti gefunden und tatsächlich von dem Fluch geheilt, sie allerdings (ihrer Ansicht nach unabsichtlich) in eine der ihren verwandelt aufgrund. Als Begründung dafür führte sie den Blutfluch an. Ich war mir da nicht so sicher. Arinas Sicht der Dinge und nahezu blinde Loyalität den Yuan-Ti erschien mir sehr naiv (welch Ironie…) und passte nicht zu der eher kritisch denkenden Person, die ich damals kennenlernte. Aber vielleicht war dies auch nur vorgetäuscht? Immerhin war sie mittlerweile zu Harkis’ rechter Hand aufgestiegen, vielleicht verfolgte sie damit auch einen Plan?
Ein Gedanke, der mir im Verlauf der Tour immer unwahrscheinlicher erschien, die sie uns dann gab. Erstaunlich, dass wir uns dermaßen frei bewegen durften. Entweder nahmen sie uns nicht als Bedrohung wahr oder aber wir waren bereits tot und sie kümmerte es nicht, was wir sahen. Wir würden es wohl oder übel herausfinden. Interessant war, dass die Yuan-To eine ganze Menge toter Eier pflegten. Wozu wurde uns später erklärt, als Arina uns in einen Nebenraum zeigte, wie ein Ei mit einer Art Flüssigkeit injiziert wurde und die Farbe wechselte. Offenbar hatte dieses Ei nun die Möglichkeit, das Potenzial einer Person zu erhöhen. Ein solches Ei sei es auch gewesen, dass sie gerettet habe.
Danach führte sie uns wieder nach oben, wo Harkis bereits auf uns wartete und ohne großes Geplänkel zu Verhandlungen über eine Allianz übergehen wollte. Wenngleich ich derzeit in einem recht verwirrenden Gefühlschaos bezüglich Arina steckte, war seine Taktik sofort offensichtlich. Gut ausgeruht mit 4 müden, teilweise emotional überforderten Personen zu verhandeln, das war keine Situation, in der etwas von Wert für uns heraussprang und so bestand ich darauf, diese Verhandlungen erst am Morgen zu führen. Harkis ließ sich darauf ein, wie unwillig oder bereitwillig vermochte ich nicht zu sagen und wir wurden in ein recht luxuriöses Zimmer geführt, das allerdings hinter uns verschlossen wurde. Ein merkwürdiger Widerspruch zur bisherigen Offenheit.
Ich hätte es bevorzugt, jede Minute möglichen Schlafs zu nutzen, da ich befürchtete, dass Harkis uns seiner ursprünglichen Taktik folgend bereits sehr früh wecken lassen würde, doch Ralkarion und Garret verlangten nun von Krathus, sich zu erklären und zugegeben war auch ich diesbezüglich sehr interessiert. Krathus wand sich ein wenig, doch was er erzählte, war durchaus dazu angetan, meinen Respekt vor dem Kobold zu steigern. Offenbar hatte er es nicht nur geschafft, Harkis ein erstes Angebot aus dem Kopf zu schlagen, sondern auch Informationen über Zoica vorenthalten, herausgefunden, dass das Rätsel magiebegabte Personen herlocken wollte und nicht zu letzt auch, dass die Yuan-Ti zumindest keine übermäßige Furcht vor dem Roten hatten. Besonders letzteres schien interessant, da die Yuan-Ti sowohl von meinen Gefährten als auch einigen Büchern als ein Volk mit gesteigertem Selbsterhaltungstrieb und brutaler Pragmatik beschrieben wurden. Selbstverständlich wollte Ralkarion sofort unsere Verhandlungsposition für morgen klären, doch angesichts seines zunehmend irritierendem Benehmen erschien mir das kaum sinnvoll. Selbst für seine Verhältnisse war er übermäßig sarkastisch und kritisch, was wohl an dem Ort liegen musste. Angesichts seines und Garrets erratischem Verhalten erschien es mir sinnvoller, einen vernünftigen Nachtschlaf hinzulegen. Morgen früh mochten sie bereits wieder klarer denken. Ein frommer Wunsch, der sich nicht erfüllen sollte.
Nachdem ich meine Meditation abgeschlossen hatte, beschloss ich, ein kleines Experiment zu wagen und herauszufinden, wie eingeschlossen wir waren. Mich konzentrierend trat ich wieder in den Raum zwischen den Ebenen, doch als ich durch die Tür treten wollte, wurde ich von dem Zauber, mit dem sie belegt war, brutal und lautstark zurückgeschleudert. So ganz vertraute man uns wohl wirklich nicht. Was meine ungute Theorie bestärkte, dass wir in den Augen der Yuan-Ti bereits tot waren.
Das Schafott, oder besser, was ich dafür hielt, nahm am nächsten Morgen die Gestalt eines Verhandlungstisches mit 4 Eiern an, zu dem wir geführt wurden. Harkis erwartete uns dort bereits und erklärte, dass diese Eier eine Belohnung des Imperators seien als Belohnung für seine Befreiung. Nichts, was meine Befürchtung besänftigte, immerhin war lediglich Garret dabei anwesend gewesen und dieser hatte breits zwei hochrangige Yuan-Ti tätlich angegriffen. Unglücklicherweise erwähnte Harkis auch die Potential verstärkende Wirkung der Eier, so dass kurz darauf im Eifer der Verhandlungen niemand verhindern konnte, dass Krathus sich ein Ei griff und herunterschlürfte. Es war erstaunlich, wie dieser Kobold zwischen genialen Momenten und schierer Idiotie hin- und hersprang.
Harkis war offenbar kein Mann unnötiger Worte und kam recht schnell zur Sache. Wir sollten dafür sorgen, dass die Untoten (die sie lediglich als lästige Zeitverschwendung sahen) sie nicht angriffen und ihre Magieadepten an der Akademie in Zoica studieren lassen, dafür würden wir die Freundschaft und Dankbarkeit der Yuan-Ti erhalten. Angesichts dessen, wie die Yuan-Ti ihre Loyalitäten handhabten, ein völlig inakzeptables Angebot. Nach vielem Hin und Her und gegenseitigen Drohungen (die Yuan-Ti hofften, dass ihre Macht von Shadar erst bemerkt würde, wenn er nichts mehr dagegen tun könnte) schaffte ich es zumindest, einen Austausch von Rekruten zu erreichen: Die Yuan-Ti würden ihre Zauberschüler bekommen und sie im Gegenzug unsere Wachen und Freiwilligen zu Kriegern ausbilden. Das fühlte sich bereits fast nach dem Maximum an, da Garret nur still in der Ecke schmollte und Ralkarion mehr und mehr Kommentare abgab, die nicht nur nicht hilfreich, sondern komplett abträglich waren. Was war nur in ihn gefahren?
Wenigsten Krathus entpuppte sich wieder als Unterstützung, als er in einem seiner lichten Momente anmerkte, dass es nicht ganz ausgeglichen sei, dass wir für jeden ausgebildeten Magier, den die Yuan-Ti bekamen, „nur” einen Krieger bekamen. Als Harkis einwand, dass diese allerdings mit viel Kampferfahrung zurückkommen würden, wurden wir hellhörig. Harkis offenbarte mehr oder minder unfreiwillig, dass sie im Norden gegen Insektenwesen kämpften, die der Kontrolle ihrer Königin entglitten waren. Diese würden in Raserei gegen sie anrennen und dabei im Gegensatz zu den Untoten offenbar eine echte Bedrohung darstellen. Interessant und ein möglicher Ansatzpunkt, die Yuan-Ti irgendwann als ganzes auf unsere Seite zu ziehen, denn es war klar geworden, dass diese uns niemals in Gänze unterstützen würden, solange sie stark waren. Geschwächt jedoch… Nun, für’s erste wurden lediglich diverse Entschädigungen für gefallene Zoicaner in Ausbildung ausgehandelt.
Ebenfalls klar war nun aber auch, dass die Yuan-Ti fürs Erste kein Interesse daran hatten, uns tot zu sehen und da auch Krathus nach dem Genuss des Eis keinerlei Anzeichen von Schwäche zeigte, beschlossen ich und offenbar auch Ral im Interesse der Diplomatie, unser Ei zu essen. Irgendetwas stellte es tatsächlich mit mir an. Etwas Positives, was genau vermochte ich nicht zu sagen. Ral schien es ähnlich zu gehen, wie sein gieriges Schlürfen verriet. Gleichzeitig kam ich nicht umhin, mich zu fragen woher diese Gier kam. Garret hingegen hatte beschlossen, weiterhin zu schmollen und die Verhandlungen zu erschweren. Ich musste zugeben, dass ich mir im Vorfeld nicht hätte erträumen lassen, dass Krathus und ich eine solche Verhandlung lenken würden und Garret und Ralkarion sich alle Mühe geben würden, sie zu torpedieren. Verkehrte Welt.
Danach schien Ralkarion dann jedoch doch etwas zur Vernunft zu kommen, denn er griff einmal mehr den Verhandlungsstrang auf, die Angriffe der Untoten aufzuhalten, was nicht übermäßig schwierig sein sollte, aber das musste Harkis nicht wissen. Im Gegenzug rang er Harkis die Aussage ab, dass sie im Gegenzug uns mit einem Gegner helfen würden. Ich hielt die Gelegenheit für einigermaßen günstig, die Yuan-Ti gegen Zatar, the Imperishable zu senden - Ocanar mochte eine Art Verbündeter sein, doch einer, der unter der Fuchtel von dem Roten stand und offensichtlich nicht in der Lage war, sich gegen ihn aufzulehnen. Eine Niederlage seinerseits würde die Kräfte des Roten mehr schwächen als uns, eine Niederlage der Yuan-Ti könnte sie weit genug schwächen, um sie uns in die Arme zu treiben. Und auch ein geschwächter Verbündeter war besser als keiner. Es war zugegeben unwahrscheinlich, dass sich Harkis darauf einlassen würde, doch es wäre einen Versuch wert gewesen. Jedoch kam ich nicht dazu, denn Ralkarion hatte ein gänzlich anderes Ziel im Kopf - den Wächter des Nexus bei Cindercrest.
Gewagt, und ich war mir völlig unsicher, was ich davon halten sollte. Fest stand, dass wir dem Roten früher oder später die Nexi entreißen mussten und der Wächter dabei ein nicht zu unterschätzendes Hindernis war. Gleichzeitig schien mir der Zeitpunkt dafür deutlich verfrüht - selbst wenn es uns gelang, würde es uns unweigerlich wieder auf die Agenda des Roten setzen, der diesmal möglicherweise deutlich weniger „milde” gestimmt sein würde, als es beim letzten Zusammentreffen der anderen mit ihm der Fall gewesen war. Sicher, wir hatten uns bereits einen Nexus unter den Nagel gerissen, aber dieser stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter der Kontrolle des Roten. Und dann blieb da noch die Frage, wer sich mit dem Nexus verbinden sollte und damit die Kontrolle übernehmen sollte. Ralkarion disqualifizierten die Blutstropfen, die seit dem Arkanen Nexus ständig aus seinen Augen traten, Garret hatte bisher nur minimale magische Begabung an den Tag gelegt und Krathus würde sich zwar sicher sofort freiwillig melden, war aber viel zu unbeherrscht, um mit der Macht eines Nexus betraut zu werden. Ähnliches galt für die örtlichen Magier der Akademie, mit Ausnahme von Melody vielleicht, die allerdings aufgrund ihrer Unbedarftheit auch eher ausfiel. Die übrige Option gefiel mir ehrlich gesagt nicht…
Es würde eine Menge zu besprechen geben, wenn wir uns erneut zu Mundi begeben würden.
Sitzung 112
Als ich wieder zurück zum Compound kam fand ich dort auch Ava vor. Mein Ausflug sie zu finden war also irgendwie als erfolgreich zu betrachten, auch wenn ich es mir genau genommen hätte sparen können. Doch konnte ich zumindest noch ein wenig Zeit mit dem Rätsel zubringen. Den ganzen Rückweg über hatte es mich weiterhin in den Bann gezogen. Aber es half alles nichts, es fiel mir einfach keine Lösung ein. Sowieso der Abend war angebrochen und Erschöpfung machte sich zunehmend breit.
Dann fing Krathus an zu jammern er müsse zur Toilette. Um weitere Probleme zu vermeiden ließ ich ihn erneut unsichtbar werden. Meine Skepsis war aber immens, als er alleine hinaustrat. Und sie sollte natürlich zurecht gewesen sein. Es dauerte viel zu lange. Zu allem Überfluss brach dann auch der Zauber verfrüht ab. Wo trieb sich der Kerl rum? Doch nicht wieder bei Razora? Ava bot an nach ihm zu suchen. Ihr Weg führte natürlich als erstes zu Krathus’ Ziehmutter. Als sie zurück kam, erzählte sie aber, dass von ihm keine Spur zu entdecken gewesen war. Er war scheinbar woanders hin gegangen. Dieser kleine schuppige Vollidiot … welches Chaos verbreitete er nun schon wieder?
Plötzlich klopfte es an der Tür. Garret und ich versteckten uns, während Ava sich mit dem unbekannten Störenfried abgab. Hoffentlich war es Krathus, dachte ich. Leider stellte sich heraus, dass es der andere Vollidiot war. Steffge, Gefolgsmann des dritten Vollidioten. Unter Berücksichtigung der bisher angetroffenen absoluten Hirnrissigkeit wunderte ich mich, wie wir eigentlich noch am Leben sein konnten. Ebenso wunderte ich mich, wie Steffge in den Compound gelassen wurde und den Weg zu uns fand. Lediglich Ava war aktiv von anderen gesehen worden. Er berichtete, dass er Krathus gesehen habe und dieser nun tot sei. Ich erstarrte kurz.
Schon wollte er sich umdrehen und abhauen, da ergriffen wir ihn kurzerhand am Kragen. Auf die Nachfrage was genau geschehen war erklärte er kurzum, dass Krathus mit dem Rätsel der Yuan-ti rumgespielt hatte. Was ihm an Intelligenz fehlte, machte er durch seine chaotische Natur wett. Offenbar dudelte er ein eher weniger harmonisches Musikstück vor sich hin und trommelte wild auf den Kerzen umher. Plötzlich öffnete sich eine Art Portal und der Hornochse ging direkt hindurch. Steffge war von uns mit dem Gedanken zurückgelassen worden, dass das Rätsel potentiell tödlich sein könnte. Also ging er folglich von Krathus’ Tod aus.
Seine Neuigkeiten ließen mich aber zudem in einem anderen Sinne fragend zurück … wie kam Steffge überhaupt an der Wache vorbei? Ich war unsichtbar hindurchgeschlüpft. Zumal wir ihm deutlich gemacht hatten sich von dem Ort fern zu halten. Jetzt hieß es herausfinden, wohin es den Schuppigen verschlagen hatte, da wir davon ausgingen, dass es sich um ein hoffentlich weniger tödliches Portal handelte. Ich malte mir aus, wie ich dieses kleine Ungeheurer bestrafen sollte. Ein Gedanke gefiel mir dabei besonders: Ihn an Steffge binden, Garret oben drauf schnallen und sie gemeinsam bei Sycora versenken.
Meine Erschöpfung war gigantisch und es kostete mich einige Kraft Garret und mich erneut unsichtbar zu machen. Wir gingen direkt zum Rätsel zurück. Die Wache ließ Ava und Steffge passieren, Garret und ich schlichen vorbei. Steffge war kaum eine Hilfe das Geheimnis um die Reihenfolge zu lösen, wie wir die Kerzen alle zum Leuchten bringen konnten. Nach zahlreichen Versuchen gelang es dann aber doch. Im Anschluss schnappte ich mir Steffge am Kragen, schubste ihn durch die Tür und brüllte der Wache entgegen, dass dieser Kerl hier nichts mehr drin zu suchen hatte. Unter der Maßgabe, dass ich ihn hier und jetzt hätte zerfleischen wollen, war das höflich gewesen. Zumal er inzwischen schon zwei Goldstücke von mir bekam – eines um seine Zunge zum Reden zu bringen und eines als „Dank“. Lieber hätte ich sie ihm in den Rachen gestopft.
Das Portal waberte in einem etwas ekeligen Gelbton vor uns. Hoffend nicht in unser Verderben zu gehen schritten wir hindurch. Hier erwartete uns ein kleiner Raum, in welchem ein albino-artiger Yuan-ti stand. Instinktiv wollte ich schon Magie bündeln, aber ausgehend von unserer Umgebung wäre ein Angriff wohl das dümmste Vorgehen. Dann sprach die Schlange und begrüßte uns in Sshistana. Irgendetwas an der Stimme kam mir vertraut vor. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das musste Harkis gewesen sein! Unsere Tage wurden wirklich schlimmer und schlimmer. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Garret. In Gedanken zählten die Sekunden. Schließlich wurde es auch ihm klar und in typischer Garret Manier setzte er zum Schlag an. Es war ein netter rechter Haken, aber kaum eine brauchbare Verhandlungsbasis.
Harkis machte keine Anstalten sich dagegen zu wehren. Garret’s Ausbruch war erschreckend lahm gewesen. Nach all dem Gejammer über Harkis’ „Verrat“ und wie er es ihm heimzahlen wollte, war dies alles gewesen? Irgendwie musste ich ob dieser Situation trotzdem in mich reinlachen. Armer Cuu, hätte er das gewusst, wäre er seinem Schicksal wohl entgangen, indem er Garret einfach persönlich beleidigt und eine Backpfeife kassiert hätte.
Die Schlange ließ uns aber nun wissen, dass sie ein Angebot für uns hätte. Sie schien aber ob Garret’s Verhalten nicht sicher, ob das Angebot noch unterbreitet werden sollte. Wir waren nunmehr hier und das Portal war geschlossen. Es blieb uns scheinbar nichts anderes übrig, als seiner gespaltenen Zunge wieder einmal zu lauschen. Daher versicherten wir, dass wir bereit wären zuzuhören.
Ich blickte noch kurz aus dem Fenster und erspähte eine umfassende Siedlung inmitten der Wüste. Es grünte überraschend viel und Unmengen an Personen waren auf den Straßen unterwegs. Wie es von dem Ausblick schien, waren wir derzeit weit oberhalb der Stadt gelagert. War es ein großer Palast oder ein Gebäude auf einer Anhöhe? Die Anderen waren schon ein Stück voraus und folgten Harkis einen Gang entlang. Ich huschte hinterher und stolperte direkt in eine Fallgrube, auf die keiner hingewiesen hatte. Wenigstens Ava erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden nach dem harten Aufschlag. Die Kammer war erstaunlich hochkarätig eingerichtet vermisste aber jedweden Ausgang. Das schummrige Licht war aber hilfreich. Ich verschmolz kurzerhand mit den Schatten und tauchte neben meinen Gefährten wieder auf.
Unsere Gefolgschaft gegenüber Harkis war kurz, denn schon wenige Augenblicke später waren wir in einer Art Speiseraum angekommen. Dort saß Krathus und stopfte sich den Wanst voll. Hinter ihm eine weitere Yuan-ti, die gerade dabei auszuhelfen schien sein Essen klein zu schneiden. Garret huschte plötzlich an uns vorbei und schlug die weibliche Schlange harsch. Und wie ich die drei später im Loch Meriander versenken würde, dachte ich so bei mir.
Der Irrtum ließ sich zum Glück schnell aufklären und dank noch mehr Glück sollte es keine direkten Folgen haben. Harkis stellte uns nunmehr „Frau Caulde“ vor. Innerlich zuckte ich mit den Schultern. Ava hingegen reagierte gar erschrocken. Sie schien dieses geschuppte Etwas zu kennen. Scheinbar handelte es sich um ihre verschollene Freundin Arina, wenngleich ich sie mir irgendwie anders vorgestellt hatte – eher … elfisch!?
Arina erläuterte kurzum wie sie hier gelandet war. Die Yuan-ti fanden sie fast tot und mit einem Blutfluch belegt. So wie sie es beschrieb retteten die Schlangen sie davor ihren letzten Atemzug machen zu müssen. Das klang ja ganz nett, aber aus Erfahrung wusste ich, dass hier keiner etwas aus Nächstenliebe tat. Aus Dank blieb sie dann hier und half Harkis.
Im Detail berichtete sie von einer Exkursion in Ravengrove in die Nähe des Anwesens der Baronesse. Warum dies so ein Akt sein sollte entzog sich mir. Dabei wurde sie verflucht, gefangen genommen und alterte im rasanten Tempo. Sie entkam wohl, aber aufgrund des Fluchs wandten sich alle von ihr ab. Niemand wollte ihr helfen. Sie erinnerte sich an eine gefiederte Besucherin, welche vor einiger Zeit in Ravengrove Unterschlupf fand und hielt es wohl für sinnig dieser Spur zur Folgen. Es musste sich allen Anschein nach um diese Sina handeln, von der Garret erzählte. Auf dem Weg stieß sie dann auf besagte Yuan-ti. Spannend dabei war die Tatsache, dass diese Schlangen die Blutmagie bannen konnten.
Ich bekam leider aber auch nicht alles mit, da Krathus wieder und wieder versuchte mich abzulenken. Dies endete darin, dass er mich mit zum Raum nahm, wo wir mit dem Portal erschienen waren. Erneut blickten wir durch das Fenster. Er Bestand darauf, dass ich einmal nach Magie Ausschau halten sollte von hier. Ich gab nach, obgleich er unlängst wusste, dass diese Sicht begrenzt war. Mein Erstaunen war groß, dass trotz allem ein wilder Mix an magischen Feldern, interkonnektiven Fäden und etliche Vergebungen magischer Energie in der ganzen Siedlung sichtbar wurden. Der ganze verschlänget Ort war wie eine gigantische magische Quelle – der Boden, die Gebäude, die Personen. Bedenkt man, dass diese Oase eigentlich ein Ödland hätte sein müssen, dann war magischer Einfluss keine schlechte Erklärung. Manchmal erstaunte Krathus mit seiner Bauernschläue – trotzdem überlegte ich zeitgleich bereits welche Seefahrerknoten ich nutzen wollte die drei Chaoten zu fesseln.
Offenbar hatte uns niemand wirklich vermisst, als wir zurück im Speiseraum angekommen waren. Arina war gerade dabei uns etwas zeigen zu wollen. Eine Treppe tiefer in einem ähnlichen Raum, mit jedoch gänzlich anderer Einrichtung, fanden wir so etwas wie eine Brutstätte vor. Überall waren merkwürdige Eier aufgestellt. Ausgehend von ihrer Beschreibung waren diese Eier „nicht lebendig“, also nicht befruchtet. Und mehr noch handelte es sich um Eier von Kenku. Diese wurden in einem Labor aufbereitet, oder verändert. Eine merkwürdige grüne Flüssigkeit wurde den Eiern injiziert. Irgendwie erinnerte mich diese Farbe ungemein an das Zeug, dass Semiazas injiziert worden war. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter.
Arina verdeutlichte aber, dass dies der Grund für ihr Überleben war. Zwar verwandelte es sie als Nebenwirkung in eine Yuan-ti, doch bannte es auch den Blutfluch. Auch sei der ganze Prozess der Aufwertung der Eier nur durch das Zutun des Imperators Ssai Sardak möglich. So genau wollte ich mir aber nicht ausmalen was er genau dabei tat …
Zunächst gingen wir wieder nach oben. Harkis erklärte, dass er uns eine Allianz anbieten wolle, da Garret ja so nützlich bei der Wiederauferstehung der Sardak gewesen war. Bedenkt man die schwarze Wolke über Garret’s Kopf, seinen stoischen Blick und die stille Leichenbittermiene, dann konnte man sich kaum vorstellen, dass sie ihm im übertragenen Sinne eine Statue zu seinen Ehren bauen wollten. Ava wollte gern eine Nacht darüber schlafen. Harkis stimmte zu und ich war so glücklich endlich ein Bett sehen zu dürfen. Mein Kopf dröhnte und die Erschöpfung lief durch meinen ganzen Körper. Ausserdem konnten wir so noch etwas über die Situation beraten.
Wir wurden in ein wahrlich herrschaftliches Zimmer geführt. Der Prunk war immens und ich glaube kaum je etwas Gemütlicheres gesehen zu haben. Nachdem wir alleine waren stellten wir Krathus zur Rede. Der Geschuppte wand sich wie eine dieser Schlangen. Sein Ausflug hierher war aber nicht ganz seine Absicht. Offenbar hatte ihn Harkis durch das Portal hineingezogen. Ob ich das so glauben sollte wusste ich nicht. Zumindest kam heraus, dass die Yuan-ti Informationen wollten. Man hatte bereits ein bisschen mit ihm gesprochen. Primär ging es um Zoica. Hier hielt er sich bedeckt, doch plauderte er über Mundi’s Vorhaben die Sardak zu „besuchen“. Vielleicht sollte ich noch eine Stahlkette mit Schloss besorgen, für den Fall, dass sie die Seile wider Erwarten überwinden konnten bei ihre Abstieg in ihr nasses Grab …
Was Shadar anging waren die Yuan-ti aber wenig besorgt. Das wiederum irritierte wohl auch ihn. Hatten sie einen Deal mit ihm laufen, nahmen ihn nicht ernst oder gar eine effektive Verteidigung?
Krathus ließ uns dann noch wissen, was es seiner Meinung nach mit dem Blutfluch auf sich hatte. Gespannt spitzten wir die Ohren. Laut seiner Ansicht sei auch seine Mutter betroffen, mindestens einmal im Monat. Es klickte sofort, bei allen …
Wie ernst die Situation auch war, hierzu gab es von mir dumme Kommentare und selbst Ava ließ sich dazu herab ein wenig einzusteigen. Zur Abwechslung gab es etwas Amüsantes an diesem Ort.
Ich ließ es mir auch nicht nehmen dem stummen Garret auf’s Brot zu schmieren, wie lächerlich ich sein ganzes Gehabe fand. All das Gezeter wegen Harkis und mehr als einen Klaps und Schmollen kam dann nicht. Natürlich wäre mir ein Kampf unter diesen Umständen kaum gelegen gewesen, aber diese „Reaktion“ war erbärmlich. Und genau genommen konnte er eigentlich niemand anderem einen Vorwurf machen, als sich selbst. Sturheit gepaart mit Blind- und Taubheit machten ihn zu einem perfekten Werkzeug. Wünschte ich wäre so perfide wie Harkis gewesen, dann wären meine Ziele sicher leichter erreichbar gewesen.
Krathus erwähnte auch noch, dass die Yuan-ti mit dem Rätsel höchst magiebegabte Personen zu sich locken wollten. Offenbar hofften sie auf Chrylax. Mir schien, dass ihr Angebot uns gegenüber ihnen durch Umwege ermöglichen sollten, was ihnen zunächst verwehrt geblieben war durch unser Eintreffen.
Auf mein dringendes Anraten nun über unser weiteres Vorgehen zu sprechen, wurde ich jäh abgebügelt. Da ich es leid war konstant auf das Offensichtliche aufmerksam zu machen beließ ich es dabei. Würden wir morgen halt wieder in einen Fettnapf treten. So startete ich meine Reise in die Traumwelt, obgleich noch so ein lästiges hartes Objekt unter den Kissen störte. Eine Art Kette hervorziehend wunderte ich mich ob des Wertes, entschied aber zugunsten des dringend nötigen Schlafes, dass ich keine Lust hatte wegen Diebstahls noch mehr in Gefahr sein zu müssen und schleuderte sie in eine Ecke.
In der Nacht weckte uns Ava unsanft, als sie versuchte durch die Tür zu gehen. Das Dummerchen hatte nur vergessen sie zuvor zu öffnen. Was sowieso hinfällig war, da sie lautstark hinter uns verschlossen wurde. Zwischen genervt und amüsiert drehte ich mich wieder um und schlief.
Kaum waren wir alle wach, da stand auch schon Harkis in der Tür, um uns zum Frühstück zu geleiten. Ich war so froh, dass wir die Zeit gestern Abend sinnvoll genutzt hatten, dass ich voller Übermut beim Hindurchtreten durch die Tür nur die Augen rollen konnte. Zumindest würde es etwas zu Essen geben. In solchen Situationen musste man halt die kleinen Dinge zu schätzen wissen. Die Ernüchterung trat aber schnell ein, als auf dem Tisch lediglich vier Eier standen. Es wirkte etwas mager. Und handelte es sich dabei nicht um die Eier, die wir gestern sahen?
Weil wir bisher offiziell im Unklaren waren, was den Deal anging, forcierte Ava das Gespräch in diese Richtung. Krathus blickte voller Gier auf die Eier und ich konnte es ihm angesichts des knurrenden Magens kaum verdenken, trotzdem hatte er sich zusammenzureißen. Im Kern sollten wir die Untaten aufhalten und dafür böten sie uns Unterstützung. Die Eier seien eine Belohnung für vergangene nützliche Taten und würden unsere „Macht“ erhöhen. Letztere Information war keine Hilfe dabei Krathus zurückzuhalten. Nun war seine maximale Gier entfesselt. Da wir nichts über die Konsequenzen wussten, war es aber zu diesem Zeitpunkt nicht klug sich an den Eier zu vergehen.
Ava lenkte den Deal in eine Richtung, wo Zoica den Yuan-ti erlaubt an der Akademie zu studieren und im Gegenzug die Yuan-ti Zoica’s Kämpfer ausbilden. Nun bekamen sie ja doch Zugang zu Chrylax. Ava ließ es so erscheinen, als seien die Krieger besonders in Schutz zu nehmen bei dem Deal, da sie gegebenenfalls Kämpfe für die Yuan-ti bestreiten würden. Wir wussten nur zu genau, dass sie lieber andere Bluten lassen wollten. Aber ich musste innerlich grinsen, bei dem Gedanken wie Chrylax einige von ihnen zu gerösteter Schlange verarbeiten würde bei seinen „Lehrmethoden“. Wen galt es hier am Ende vor wem zu schützen?
Insgesamt ließ mich aber seit dem Eintreffen dieses kalte Gefühl von Sorge und Angst nicht los. Trotz all der sarkastischen Kommentare war es dies, was mein Handeln derzeit primär steuerte. Wir waren so verdammt machtlos und jeder nutzte uns zu seinem Zweck aus. Es machte selten den Eindruck, dass wir wirklich einen Sieg zu verbuchen hatten. Irgendwie ließ man uns stetig aus Glück oder Gutmütigkeit gewähren. Und mein Gefühl sagte dazu nichts Gutes.
Wir entlockten Harkis dann aber tatsächlich noch eine Information, die er scheinbar nur widerwillig gab. Im Norden hatten die Yuan-ti mit der Insektennation von Krakatar zu kämpfen. Sie empfanden, dass diese eine echte Bedrohung waren. Nicht wie die Untaten, die nur „lästig“ seien und unnötig Aufwand bedeuteten. Sie waren der festen Überzeugung keinerlei Schwierigkeiten mit denen zu haben, aber wollten sich einfach nicht drum kümmern, da es im Zweifel natürlich auch ein paar Opfer und Ressourcen fordern würde.
Das war nunmehr auch der Moment wo Krathus nicht mehr stillhalten konnte. Er griff sich inmitten der Unterredung eines der Eier und vertilgte es in einem Happs. Dieser gottverfluchte Narr …
Was Shadar anging, so dachten sie, dass sie sicher seien. Solange der Drache abgelenkt ist und keine Aufmerksamkeit auf die Yuan-ti fiele, betrachteten sie ihn ohne Sorge. Auf die Einwürfe seines Machtausbaus und was das bedeuten könne verhielt sich Harkis eher zurückhaltend neutral. Ich kaufte ihm das nicht ab, auch er musste erkennen, welche Gefahren dies barg. Und nicht zuletzt hatten wir eine sehr prophetische Vorhersage erhalten, in derer die Yuan-ti über Zoica herrschen … im Namen ihres Gittes Shadar Logoth. Skepsis umschrieb nicht im Mindesten, was ich empfand.
Krathus schien es direkt nach dem Verzehr des Eies nicht schlecht zu gehen. Ava machte bereits Anstalten das Ei zu essen. In meinem Kopf waberten so viele widersprüchliche Gefühle und Informationen umher. Arina hatte für den positiven Effekt eine Garantie ausgesprochen. Ava schien ihr zu vertrauen. Und ich fühlte mich sowieso schwach. Also griff ich zu. Erst beim Herunterschlucken kam mir wieder in den Sinn, dass meine ganze Historie auf Blutmagie basierte … ein dumpfes Gefühl machte sich breit. Was würde nun passieren, wenn es bei Arina die Blutmagie entfernt hatte – und sie zudem noch verwandelte. Na ja, mit einem Schwanz kannte ich mich bereits aus, aber auf meine Beine verzichten wollte ich nicht.
Garret weigerte sich beharrlich das Ei anzunehmen. Er war wie gestern bereits lediglich am Schmollen und bitter Dreinblicken. Keine Stimme am Tisch half dabei ihn zu überzeugen, dass wir definitiv mehr Potential brauchten, um in Zukunft erfolgreich sein zu können.
Am Ende kamen wir überein, dass wir die Untaten aufhalten würden. Im Gegenzug aber hatte ich ein Zugeständnis erhalten, dass die Yuan-ti uns bei der Beseitigung eines Problems helfen würden. Ich hielt es kryptisch – und entgegen unseres Plans hatten wir auch keinerlei Machtdemonstration mit dem Nexus gezeigt. Doch es bedeutete, dass wir mit ihrer Hilfe hoffentlich erfolgreich sein könnten den Wächter am Heart of Rage zu beseitigen. Zwei Nexi für uns klang doch gar nicht verkehrt.
Doch als Nächstes musste ich erst einmal dringend Arina aufsuchen. Es war notwendig, dass sie mich untersuchte, ob und wie das Ei eventuell negativ auf meinen Hintergrund mit Blutmagie reagieren würde. Oder auf dieses manchmal ziehende Gefühl, dass ich seit meinem ersten Besuch im Dreadspire mit mir rumführte.
Sitzung 111
Während uns der Sieg zwar etwas Respekt eingebracht hatte, brachte es uns in unserem eigentlichen Anliegen, die Überfälle auf Notherhall zu beenden, nicht wirklich weiter. Bargle gestand, dass er zwar der Größte und Stärkste war, aber nunmal keinerlei Befehlsgewalt. Dazu brauchte es wohl eine Art Krone oder Helm, die den Träger zum echten Anführer machte. Er selbst sah sich ganz offenbar nicht in der Lage, sie von ihrem derzeitigen Aufbewahrungsort - einer Feste im Norden - zu holen, aber uns traute er es zu. Oder wir waren einfach nur nützliche Idioten… in jedem Fall war es einen Versuch wert. Es gab noch ein bisschen Gerangel, wie er denn Anführer werden wolle, wenn doch wir die rechtmäßigen Besitzer des Helms wären, aber er schlug einen kleinen Showkampf vor, bei dem er natürlich siegreich wäre. Ich hielt davon nicht viel - es war unehrlich und missachtete die Traditionen seines eigenen Volkes. Doch angesichts der Umstände war es möglicherweise die beste Möglichkeit.
Bevor wir aufbrachen, gab er uns noch mit, dass wir einen Schutz brauchen würden, anderenfalls würden wir dort sofort sterben. Der Schamane des Stammes könne diesen weben - und tatsächlich kannten wir ihn wohl schon: Als wir ihn aufsuchten, entpuppte sich der dicke Wächter von dem Weg hierher entpuppte sich als ebenjener. Dieser erklärte sich auch bereit, den Zauber zu weben, da er aber nicht ewig halte, müsse er uns begleiten und alle Vorräte mitnehmen. Die wir natürlich erst besorgen müssten…
Interessanterweise schien sein Schamanismus sich vor allem auf die Verwendung und den Konsum alkoholhaltiger Substanzen zu konzentrieren, in Mischungen und Tinkturen, die ich noch nie gesehen hatte, aber häufig sehr bunt waren. Während die anderen aufgrund dessen sofort skeptisch wurden, war ich unbesorgt. Sein Weg, die vættr anzurufen, mochte ungewöhnlich sein, aber wir waren Schamanen. Jeder von uns hatte seine ganz eigene Art, dies war nunmal seine. Dennoch riss auch mir irgendwann der Geduldsfaden, als er nach 3 Tagen unterwegs noch einmal zurück wollte, weil dieses eine Getränk fehlte, dass er zwar nicht für den Zauber brauchte, aber ganz wichtig für ihn wäre. Wir machten ihm relativ eindrücklich klar, dass die Zeit drängte und wir deswegen nicht umkehren würden, was er grummelnd akzeptierte.
Niemand musste uns sagen, wann wir angekommen waren. Irgendwann überquerten wir einen weiteren schwarzen Hügel und standen plötzlich auf grellgelbem Sand, von dem der unangenehme Geruch von Schwefel ausging. Dies sei der Ort, erklärte uns unser Begleiter überflüssigerweise und begann mit dem Weben des Schutzzaubers. Der, auf Nachfrage, glücklicherweise recht lange hielt… trödeln sollten wir wohl dennoch nicht. Die vættr schützten niemanden, der sich allein auf sie verließ und nichts zurückgab. Das Ritual war derweil recht interessant und hätte meiner Familie vermutlich viel Freude und einen ausgelassenen Abend beschert. Die Methoden dieses Orcschamanen waren zugegeben wirklich sehr merkwürdig, aber unbestreitbar wirksam.
Nachdem er es sich mit einer weiteren bunten Tinktur (und warum diese Schirmchen?) bequem gemacht hatte, wünschte er uns alles Gute, allerdings war es offensichtlich, dass er nicht wirklich an unsere Rückkehr glaubte.
Auch meine Begleiter waren diesbezüglich recht vorsichtig, einzig Gorok und ich schienen der Sache etwas optimistischer entgegenzublicken - Gorok fast schon zu sehr. Zumindest blieb festzuhalten, dass der Schutzzauber wirkte… je näher wir der Festung kamen, desto heißer wurde die Luft und ich war mir sicher, dass wir unter gewöhnlichen Umständen längst erstickt wären, stattdessen blieben unsere Lungen gut gefüllt. Dicht vor dem Tor entdeckten wir schließlich die ersten Lebewesen in dieser feurigen Einöde, zwei schlangenartige Wesen, doch gänzlich anders als die Yuan-Ti. Beide kamen auf uns zu, Waffen im Anschlag, doch wirkten auf mich mehr wie Wächter, die wissen wollten, wer da kam. Ich machte also ein paar Schritte vor mir, doch mehr als ein paar Sätze kamen wir nicht (die Schlangewesen sprachen leider eine Sprache, die niemand von uns verstand), denn Gorok hatte die Situation offenbar gänzlich anders eingeschätzt und stürmte brüllend und Flegelschwingend auf die Wesen zu. Innerlich seufzend nahm ich seine Axt in die Hand und überließ mich in ihrer Führung den vættr. Ich hätte eine andere Lösung bevorzugt, doch es war nun nicht mehr zu ändern. Nachdem beide Schlangenwesen erschlagen vor uns lagen, war damit auch klar, das eine diplomatische Lösung nicht mehr möglich war. Zugegeben war das von Beginn an nicht besonders wahrscheinlich gewesen, aber nun, man durfte ja hoffen. Nichtsdestotrotz kamen wir überein, dass wir nach Möglichkeit weiteren Konfrontationen aus dem Weg gehen sollen - der Kampf zerrte offenbar an unseren inneren Reserven, die den Schutzzauber des Schamanen speisten.
So begannen wir deutlich vorsichtiger mit der Erkundung der Feste, die deutlich kleiner war, als es zunächst den Anschein hatte. Ein Raum mit Kisten brachte praktisch nichts brauchbares zu Tage, doch wenig später wurde es interessanter, als wir einen Raum öffneten, der eine Art Altar beinhaltete. Dort begrüßte uns ein weiteres dieser Schlangenwesen, dass merkwürdigerweise unsere Sprache sprach. Darüber hinaus erwies es sich durchaus als einigermaßen kooperativ, so erfuhren wir zum Beispiel, dass der Helm hier war, aber gut bewacht, näheres wollte es nicht preisgeben. Wir wollten es schon ziehen lassen, doch dann machte es Anstalten, eine Falle auszulösen. Notgedrungen kam es erneut zum Kampf und mit seinen Kumpanen, doch irgendetwas stimmte hier nicht - wenig später bemerkten wir auch, was. Nachdem das uns begrüßende Schlangewesen fiel löste sich die Illusion, die offenbar von seinem bunten Umhang her stammte und es erwies sich eher als eine Art überdimensionierter Vogel. Es tat mir Leid, was hier passiert war - vermutlich war es kaum freiwillig hier gewesen, warum sonst die Verkleidung und Täuschung? Ich nahm zumindest den Umhang an mich, um sein Andenken zu würdigen.
Dann inspizierten wir den Altar etwas genauer. Die Form war die eines Wesens, dass mir unbekannt war, aber unbestreitbar dämonisch aussah. Unter der Statue stand eine Schale, offenbar für Opfergaben. Immer begierig darauf, neue Dinge herauszufinden, testeten wir, was es tat. Anfangs nichts, doch als sich Layaras Arm mit einem Mal in eine Art Krebsschere verwandelte, beschlossen wir, es lieber sein zu lassen.
Doch nun war es Zeit - wir wussten, wo unser Ziel war, und natürlich lag es genau hinter den riesigen, metallenen Türen, die wir schon beim Hereinkommen gesehen hatten. Die sich zu unserer Verblüffung relativ leicht öffnen ließen und den Blick auf einen riesigen Kuppelsaal freigaben, der in jeder anderen Umgebung vermutlich prächtig gewirkt haben müsste. Als wir eintraten, war unser Blick jedoch ganz auf die andere Seite des Raums geheftet. Dort war der gesuchte Helm - er ruhte aus dem Kopf eines großen, dämonenartigen Wesens mit Scherenhänden, nicht unähnlich jener, die Layara nun besaß. Ob dies wohl das Wesen war, dem der Altar geweiht war. Viel Zeit, uns darüber auszutauschen gab es jedoch nicht, denn nachdem wir unser Anliegen kundgetan hatten, war das Wesen nicht länger gewillt, uns Eindringlinge in seinem Palast zu dulden. Brüllend erhob es sich und rauschte mit einer unglaublichen Schnelligkeit und einem gewaltigen Sprung heran, während es unzählige Wachen aus den Nebenkammern zu sich rief.
Ein Kampf entbrannte, doch dieser war weitaus brutaler und gefährlicher als alles, was wir bis dahin gekannt hatten. Während wir uns der Wachen recht leicht erwehren konnte, war das große Wesen überall, schnappte mit seinen Klauen und drängte uns zurück. Wenig später musste ich erfahren, wie gefährlich diese Klauen tatsächlich waren, als es mir nach einem gelungenen Angriff schlicht den Fuß oberhalb des Knöchels abtrennte. Unter Anrufung der vættr gelang es mir, diesen wieder anzusetzen, doch wir waren gewarnt. Entschlossen setzten wir unsere Angriffe fort, die endlich eine gewisse Wirkung zeigten.
Doch in die Enge getriebene Gegner waren die gefährlichsten - und das traf auch auf diesen zu. Wild entschlossen, dem Treiben ein Ende zu Setzen, drang vor allem Gorok rücksichtslos auf das Wesen ein - und in einem furchtbaren Hieb trennte das Wesen ihm den Kopf ab. Die Welt schien sich zu verlangsamen, als wir zusehen mussten, wie der Körper unseres hünenhaften Kumpanen, der mir von den vættr zum Schutz anvertraut worden war, leblos zur Seite sackte und der Kopf mit starrem Blick daneben kullerte. Ich fühlte mich einfach nur taub. Ich hatte versagt. War meinem Auftrag nicht gerecht geworden. Wie konnte das geschehen?
Layaras Reaktion auf den Tod ihres engsten Freundes war praktisch gegensätzlich zu meinem. Sie fing an, verzweifelt zu Brüllen und entlud Feuerzauber um Feuerzauber in unseren Kontrahenten, blind vor Wut und Trauer. Ich registrierte hingegen kaum, dass die Kreatur unter diesem magischen Ansturm und den Attacken von Fin und Valaria zusammenbrach, doch raffte genug meines Verstandes zusammen, um Goroks Körper und Kopf aufzusammeln und die rasende Layara über die andere Schulter zu werfen, wobei auch ich Ziel einiger Feuerzauber wurde. Doch es half nichts, wir mussten hier raus, der Kampf hatte den Schutzzauber des Schamanen an seine Grenzen gebracht. Valaria und Fin sammelten noch den Helm und einige andere Gegenstände ein, die das Monstrum fallen gelassen hatten, dann rannten wir heraus.
Und trotz all dessen konnte ich nicht anders, als immer wieder daran zu denken, dass ich versagt hatte. Der Tod war etwas Natürliches, Selbstverständliches, doch die vættr hatten andere Pläne mit Gorok gehabt. Es wäre meine Verantwortung gewesen, diese Pläne voranzutreiben, was nun nicht länger möglich war. Wie konnte das nur passieren?
Als wir endlich von diesem schrecklichen Ort entkommen waren (sehr zur Überraschung des Schamanen, der dort tatsächlich auf uns gewartet hatte), legte ich Goroks Körper und Kopf behutsam auf den Boden, während Layara über ihm zusammenbrach und hemmungslos weinte. Ratlos standen wir um sie herum. Wir hatten bekommen, weswegen wir hergekommen waren - doch wir hatten unendlich viel mehr verloren…