Tagebücher
Die Tagebucheinträge sind nach der Gesamtzahl der Sitzungen beider Gruppen strukturiert. Jedes Buch erzählt eine durchgehende Geschichte aus der jeweiligen Sichtweise des Charakters, der es geschrieben hat.
Gemeinsam ergeben diese Bücher die Zusammenfassung aller Ereignisse der Kampagne.
Sitzung 114 - Part 1
Es dauerte einen Augenblick, bis der ganze ehemalige Bau sich final gesetzt hatte. Hier und dort war noch ein Rumpeln zu vernehmen. Das war dann wohl Harkis’ kleiner Forschungsposten. Unter anderen Umständen wäre ich weniger unzufrieden gewesen. Doch wir waren hier um einen potentiellen Alliierten zu gewinnen und nicht einen potentiellen Feind präventiv zu verkrüppeln. Die Talente dieser Gruppenmitglieder lagen aber wohl eher darin alles umgelehrt zu tun.
Ausgehend von den Erlebnissen und dem, was uns erwarten könnte stieg mir die Wut hoch. Scheinbar aber nicht so hoch, wie jene Ava’s. Ihr Blut kochte bereits. Kaum war Krathus in Reichweite entlud es sich auch schon. Ich musste mir eingestehen es ein wenig amüsant zu finden, da sonst ich derjenige war solche Ansprachen zu geben. Es war schön hierbei nicht wieder allein stehen zu müssen.
Krathus hatte indes nichts begriffen. Er versuchte die Schuld an der Situation abzugeben und verwies auf den etwas minder bemittelt wirkenden Kenku. Wenn man sie in eine Form gegossen hätte, dann wäre wohl eine halbwegs intelligente Person dabei rausgekommen. Ihr gemeinsames agieren als Individuen hingegen war eine Vollkatastrophe. Je mehr der kleine Schuppenträger Widerworte hatte, desto höher stieß Ava’s verbale Flamme.
Manchmal fragte ich mich auf welcher Seite Krathus eigentlich stand. Die Waage schlug bei ihm stets so heftig aus und die Konsequenzen waren wie hier so eklatant. Der Rote wurde direkt zu uns geführt. Er wusste somit nun zu einhundert Prozent, dass wir aus seinem kleinen Folterwerkzeug geflohen waren. Er wusste auch, dass wir aktiv Dinge taten, von denen er uns abgeraten hatte zu tun, sollten wir an unserem Leben hängen. Und im gleichen Atemzug entzog es uns eine potentielle Verbesserung unserer Situation. Alles was es gebraucht hatte war einen Kobold, der sich als Freund ausgab. Man musste sich wundern. War es im Grunde nicht sehr leicht sich diese Lande untertan zu machen und sich aufstrebender Gegenparteien zu entledigen …
Nachdem das größte Feuerwerk seitens Ava gezündet war setzte ich noch ein wenig nach. Es fiel mir aber schwer noch ungesagtes zu finden oder gar die Rösttemperatur zu erhöhen. Es fühlte sich wirklich merkwürdig an. Irgendwie festigte sich ein Gefühl von Ausgewogenheit in mir.
Harkis nahm es erstaunlich gefasst auf. Ich an seiner Stelle hätte uns wohl eingekerkert. Vielleicht verstand er aber auch Karma. Seiner sichtbare Freude an meinem Leid folgte nunmehr das seinige. Arina hingegen war am Boden zerstört über den Verlust der Forschung. Es machte den Anschein, als hätte dies alles einen viel größeren Einfluss auf die Yuan-ti denn uns bewusst war. Es bedeutete auch, dass sie nicht länger magiebegabte Schlangen zu produzieren vermochten.
Und zu allem Überfluss bemerkte ich nun, dass mein Körper sich merkwürdig zu verhalten begann. Mein Arm schien zu wabern und ich konnte in meinen Körper Eindrücken, als wäre es eines dieser gummiartigen Schleimmonster. Ein Unglück folgte auf das nächste. Wie hätte es auch anders sein können. Arina hatte so etwas noch nie gesehen. Wenn es eine Nebenwirkung von dem Ritual war, dann etwas Neuartiges.
Derweil machte Harkis Anstalten loszuziehen seinem Lord über die Geschehnisse zu informieren. Doch diese. Suna hielt ihn auf. Ihre Satzfetzen und gestikulierten Beschreibungen waren eher anstrengend. Doch es schien, als habe sie auf Anordnung von Ssai Sardak Kopien aller Forschungsmaterialien erstellt und anderweitig verwahrt. Anscheinend hatten weder Harkis noch Arina davon wissen sollen. Ich konnte in diesem Moment in Harkis’ Gesicht lesen wie in einem Buch. Und was ich las gab mir eine friedvolle Genugtuung.
Schnell kamen wir darüber zu einem Konsens. Wir sollten die Aufzeichnungen bergen und zurückbringen. Dafür war unsere Allianz nicht vom Tisch. Darüber hinaus war Mundi auch noch ein Thema, welches uns eine Vereinbarung einbringen mochte.
Harkis zog los Bericht zu erstatten, Suna leitete die Gruppe zu den Kopien und ich blieb zurück und legte Leben erneut in Arina’s Hände. Es konnte wahrlich überhaupt nichts schiefgehen …
Nachher: [siehe Part 2 - Suna]
Sitzung 113
Die Verhandlungen wurden jedoch jäh unterbrochen, als sich Ral mit einem Mal meldete und von Übelkeit sprach. Ob das eventuell mit einem gewissen Blutfluch und dem Ei zu tun haben könnte, woraufhin Arina ihn sich ohne groß zu zögern schnappte, mit sichtlicher Besorgnis. Ich hoffte, dass es schlicht eine Magenunverträglichkeit war, fürchtete zwar Schlimmeres, doch zunächst galt es noch, einen letzten Punkt mit Harkis zu klären. Das war mein Grund, zu bleiben. Dass Krathus zunächst blieb, überraschte mich weiter nicht - hier gab es noch ein ungegessenes Ei und für gewöhnlich siegte bei dem Kobold die Aussicht auf etwas zu essen über die Sorge um - nun, alles. Aber das Garret die Gelegenheit nicht nutzte, sich Harkis Präsenz zu entziehen, erweckte mein Interesse. Sollte er doch noch irgendwelche Pläne hier haben? Wenn ja, dürfte es spannend werden, ihn beim verhandeln zu erleben. Eine Vermutung, die sich wenig später als falsch erweisen sollte, als wir von unten einen gequälten Aufschrei Rals hörten und nun doch Garrets Sorge um den Freund wuchs.
Währenddessen machte ich mich daran, meinen eigenen Plan in die Tat umzusetzen, Arina von diesem Ort wegzulocken und zu ergründen, wie weit ihre Loyalität letzten Endes ging. So schlug ich Harkis vor, dass er uns eine seiner Untergebenen mitschicken sollte, die bestätigen könne, dass wir mit Mundi einen entsprechenden Nichtangriffspakt auf die Yuan-Ti ausgehandelt hätten. Jemand, dem auch wir vertrauten. Arina, zum Beispiel. Leider ließ sich Harkis nicht darauf ein, dennoch erfuhr ich etwas Interessantes - anscheinend war Arina durch ihre Wandlung an diesen Ort gebunden und konnte ihn nicht verlassen. Sehr schade. Ebenfalls schade, dass ich vergessen hatte, dass Krathus den Raum noch nicht verlassen hatte, da er eifrig vorschlug, dass Harkis uns ja einfach einen anderen Yuan-Ti mitschicken könnte für denselben Job. Ich durchbohrte ihn geradezu mit Blicken - es war sicher nicht meine Intention gewesen, Harkis eine Einladung zu geben, uns einen Spion an die Seite zu stellen. Aber der Schaden war angerichtet und ich konnte Krathus nicht wirklich einen Vorwurf machen - abgesehen von seinen gelegentlichen Geistesblitzen war er nunmal von eher schlichtem Gemüt und hatte lediglich versucht zu helfen.
Und so beendeten wir das Gespräch beim nächsten, deutlich lauteren Gebrüll von Ralkarion und eilten hinunter, wo sich ein eher beunruhigender Anblick bot. Genauer, ein Ralkarion mit aufgebrochenem Brustkorb, der aus irgendwelchen Gründen dennoch bei Bewusstsein blieb. Vor langer Zeit antrainierte Reflexe wurden wach und ich nahm sofort einen Platz am Tisch ein, um Arina zu assistieren. Während Krathus losgeschickt wurde, ein Ei zu holen (nur um zu aller Beunruhigung mit zweien zurückzukommen), beschränkte sich meine Aufgabe zunächst einmal auf das Herausnehmen der Leber, an deren Stelle das Ei gesetzt wurde und später das Zusammenflicken von Ral anstelle der vor Aufregung noch zitternden Arina. Eine recht blutige und äußerst seltsame OP später war Ralkarion wieder an einem Stück, wenn auch natürlich enorm geschwächt. Nun, zumindest das war etwas, worum ich ich kümmern konnte. Ich schloss die Augen und teilte mich auf, um den, nun, unschuldigen (?) Teil meiner Selle Ral versorgen zu lassen. Ich hätte mittlerweile mit dem Gefühl vertraut sein müssen, aber noch immer überwältigte mich jedesmal erneut das unangenehme Gefühl, etwas verloren zu haben und der damit einhergehende Zorn war auch nicht leichter zu kontrollieren. Nur gut, dass es nicht lange dauerte und als ich die Augen öffnete, sah Ral schon deutlich besser aus. Ich hatte dennoch den Eindruck, dass er irgendwie fragiler aussah als sonst. Noch fragiler.
Nachdem sich die Aufregung ein wenig gelegt hatte, kam die Sprache jedoch unweigerlich auf Garret und ob ihm ähnliches widerfahren wäre, hätte er das Ei gegessen. Abgesehen von der Antwort, dass dies sicher möglich gewesen wäre, erfuhren wir noch etwas deutlich beunruhigenderes: Ein ausreichend mächtiger Blutmagier konnte mit jemandem wie ihn wohl im Prinzip anstellen, was sie wollten. Ich war mir recht sicher, dass der Große Rote als ein entsprechend mächtiger Blutmagier galt. Was Garret zu einem wandelnden Sicherheitsrisiko machte. Doch zu meinem völligen Unverständnis sah Garret das gänzlich anders, wand sich, wehrte sich auch nur gegen den Gedanken, einen simplen Test ob der Beschaffenheit seines Zustands zu machen. Es brauchte schon unsere geballten Überredungskünste und ein durch und durch verständliches Ausrasten von Ral, um ihn davon zu überzeugen, mittels einer Blutprobe von Ralkarion zu bestätigen, dass es sich bei ihm tatsächlich um Blutmagie handelte. Was gleichzeitig bestätigte, dass er in keinster Weise eine Gefahr für den Roten darstellte, sondern eher eine Art unwilligen Alliierten. Schon Sekunden später fragte ich mich, wie unwillig er tatsächlich war, denn selbst mit diesem Wissen weigerte er sich standhaft, die Prozedur an sich durchführen zu lassen. Nun gut, er hatte Ralkarion aufgebrochen gesehen, vielleicht morgen, wenn er sich etwas abgeregt hatte.
Bis dahin blieb uns nichts anderes übrig, als Ralkarion aufs Zimmer zu bringen, uns gründlich zu erholen und zu hoffen, dass Garret einsah, wie unglaublich egoistisch und kontraproduktiv er gerade handelte. Doch selbst unsere Ruhe währte eher kurz, denn gerade noch rechtzeitig bemerkte ich, dass sich an der Stelle, an der noch Ralkarion gelegen hatte, plötzlich ein recht beeindruckende Variante eines Yuan-Ti befand. Es brauchte nicht lange, um zwei und zwei zusammenzuzählen, doch während ich noch überlegte, wie wir Ralkarion zurückbekämen oder ob er nun endgültig verloren war, gingen die anderen beiden schon vollständig zum Angriff über. Zu unserem und Rals Glück war dies auch des Rätsels Lösung und er verwandelte sich wieder in den hagren Tiefling zurück, der er doch eigentlich war und der Rest der Nacht verlief ungestört.
Auf das Erlebnis angesprochen wirkte Harkis nicht überrascht. Er habe so etwas schon erwartet, da Ralkarion jetzt gesegnet sei. Einmal pro Tag würde er sich möglicherweise verwandeln. Na großartig. Erst offenbarte sich Garret als wandelnde Gefahr und nun auch noch Ral, wobei letzterer wenigstens willens schien, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sollten sich welche antun. Garret hingegen war nichtmal unter der Androhung, künftig nur noch gefesselt zu schlafen, dazu zu bringen die Prozedur durchzuführen. Er begründete es mit der Angst, seinen Meister zu verlieren. Eigentlich verständlich, doch angesichts der Umstände und der Tatsache, dass er seit Monaten erfolglos versuchte, selbigen zu kontaktieren, auch sehr leichtsinnig. Schließlich ging er widerwillig auf Arinas Kompromissvorschlag, einen Zustand herbeizuführen, indem er sich mit seinem Meister darüber unterhalten könne und so gingen wir ein weiteres Mal in den OP, in dem diesmal auch ein merkwürdiger Vogel wartete, der als Suna vorgestellt wurde. Etwas klingelte. War sie nicht diejenige, die Garret bei der Durchführung seiner letzten Endes fehlgeschlagenen Revolution in Zoica unterstützt hatte? Nun, fürs Erste war das nicht relevant. Ich konnte nur hoffen, dass Garrets Meister etwas mehr Verstand hatte als er selbst, doch hegte ich wenig Hoffnung angesichts der Tatsache, dass Garret gerne erklärte, er habe alles von ihm gelernt und es immerhin um dessen Leben ging. Aber zumindest war es eine Chance.
Statt Garret aufzuschneiden, fixierte Arina eine Art große, metallene Kugel über Garrets Dickschädel und begann, einige Schrauben zu arretieren, bis Garret plötzlich davon sprach, Kontakt zu haben. Nun, zumindest das hatte funktioniert. Es blieb nichts anderes, als gebannt abzuwarten, was wohl herauskommen möge. Offenbar war es ausgesprochen anstrengend für Garret, denn ich sah kurz darauf, wie sich aus Garrets Nase ein Blutfaden bildete. Mit der Intention, selbigen zu untersuchen, griff ich danach - und hielt plötzlich etwas kleines in der Hand, was verdächtig nach Hirnmasse aussah, während das Blut nur so aus Garrets Nase schoss. Erstarrt übernahm meine „bessere Hälfte” erneut und verschloss die Wunde. Mich lenkten die aufkeimenden Gefühle ausreichend ab, um mich danach zu fangen, wenn auch nicht ausreichend genug, um zu bemerken, dass Krathus und Suna den Raum verlassen hatten.
Schließlich kappte Garret wohl die Verbindung - und erklärte nicht unerwartet, aber dennoch zu meinem und wohl auch Rals Entsetzen, dass er der Prozedur nicht zustimmen würde, da sein Meister bleiben und kämpfen wolle und er ihm zutraue, dem Roten zu widerstehen. Diesmal brauchte ich keine Trennung, um Zorn zu verspüren. Woher nahmen die beiden nur diese grenzenlose Selbstüberschätzung? Ein alternder Drachengeborener, der von einer Horde Goblins niedergestreckt worden war, sollte stark genug sein, es mit einem fast schon gottähnlichem Drachen aufzunehmen. Na sicher, und morgen würde Al’Chara uns freundlich bei Kaffee und Kuchen empfangen, uns bereitwillig alles über Blutmagie erzählen und nebenbei anmerken, dass sie den Roten eigenhändig niedergerungen habe und er nun freiwillig in der Einhorn-Zucker-Dimension ihrer Tochter lebte, mit der er täglich neue Bonbonrezepte ausprobierte.
In der Zwischenzeit hatte ich auch bemerkt, wie Krathus wieder hereingewieselt war und einen irgendwie undeutbaren Gesichtsausdruck hatte. Was hatte er in der Zwischenzeit wohl ausgefressen? Eine Frage, die sich wenige Sekunden darauf selbst beantwortete, als ich aus dem Gang, in dem nun Suna auftauchte, mit Krathus Stimme die Worte „Gepriesen sei Shadar Logoth” hörte. Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken herunter. Dieser dämliche Möchtegerndrache hatte doch nicht etwa…?
Er hatte. Und offenbar hatte Suna fröhlich kopiert, denn wenige Sekunden später stob eine unglaublich heiße Feuerwand aus dem Spiegel über uns auf uns herab. Das Gesicht, in das wir danach starrten, war unverkennbar. Doch es blieb keine Zeit, sich damit näher zu befassen. Ich brannte, aber das taten auch alle anderen und ich wurde von Posetines Schuppe teilweise geschützt. Mich umblickend bemerkte ich jedoch Arina, die zu Boden ging. Das konnte ich nicht zulassen, hatte ich sie doch gerade erst wiedergefunden. Ich rannte herüber, löschte die Flammen - wie genau, vermochte ich nicht zu sagen - und brachte sie wieder auf die Beine, während auch Krathus links und rechts Flammen des Desasters löschen, die sein unbedachtes Verhalten angerichtet hatte. Fast hätte ich durch ihn Arina verloren, die ich gerade erst wiedergefunden hatte. Von den weiteren Implikationen ganz zu schweigen. Nur mühsam kannte ich meine Wut nieder, es gab erstmal wichtigeres zu tun. Irgendwie aus dieser steingewordenen Falle von einem Gebäude entkommen, zum Beispiel. Überall herrschte das Chaos, ich half Arina noch dabei, einige (unsagbar wenige) Forschungsergebnisse ihrer Arbeit zu bewahren, dann musste ich sie mit mehr oder minder sanfter Gewalt dazu zu bringen, das Gebäude zu verlassen, was dank einiger Zauber sicher gelang. Was schon fast einem Wunder gleichkam, bedachte man, dass um uns herum die Trümmer des gewaltigen steinernen Schlangenkopfes lagen, der der Regierungssitz von Sshistana gewesen war. Harkis hatte es wohl ebenfalls geschafft.
Somit waren alle in Sicherheit. Doch es lag möglicherweise weitaus mehr in Trümmern als nur das Gebäude. Ich hatte gelernt, dass auch der Zorn ein Teil meiner selbst war. Ein Teil, dem ich mich nun vollends hingab, als ich begann, auf Krathus zuzumarschieren.
Sitzung 113
Der Gedanke Arina auf meine Vorgeschichte mit den Experimenten meines Vaters anzusprechen wurde unerwartet vorverlegt, als mir plötzlich unglaublich übel wurde. Eilig gingen wir hinab in das Labor, wo ich mich kurzerhand vor einem Behandlungstisch wiederfand.
Arina verlor keine Zeit und war fast panisch. Damit war sie nicht alleine. Und zu allem Überfluss schien es, als gäbe es nur eine Möglichkeit und die sei mich sofort zu behandeln. Ich war starr vor Angst. Ihr Blick war eindringlich und ihre Stimme besorgt. Ava traute ihr. Doch ich konnte nur schwerlich abschütteln wo wir uns hier befanden und unter wessen Befehl sie stand. Doch stand, wieder einmal, der Sensenmann nur wenige Schritte von mir entfernt.
So willigte ich ein. Und bereute schon wenige Sekunden später auf was ich mich eingelassen hatte. Wie hätte ich eine solche Reaktion durch dieses dumme Ei auch erwarten können.
Kaum lag ich, da warnte mich die weibliche Schlange auch schon, dass es schmerzhaft würde. Dafür wollte sie mich fixieren. Sie wollte mich aufschneiden … bei den neun Höllen, das konnte sie vergessen. Ich wand mich, obgleich des Versuches der anderen mich zu halten. Dann zauberte Krathus etwas mit einer typischen Anbetungsphrase an Shadar Logoth und mein Körper erstarrte unter dem skeptischen Blick Arina’s.
Eine Sekunde später schnitt sie an mir rum, bis ich wie eine sezierte Roulade aussah. Die Schmerzen waren unsagbar, aber aus irgendeinem Grund fiel ich nicht in Ohnmacht. Gewünscht hatte ich es mir. Ich hörte noch, wie sie Krathus anwies ein weiteres der Eier zu holen und ich betete, dass er stattdessen nicht wieder irgendeinen Unfug treiben würde. Dann trat er wenig später mit zwei Eiern zurück ins Labor. Scheinbar war er sich unsicher welches das richtige Ei gewesen war. Wenig überzeugt wählte sie eines davon aus, während Arina noch anmerkte wie gefährlich das falsche Ei sein würde. Ich verdammte die zum Meter gestapelte schuppige Dummheit, war aber machtlos etwas dagegen zu unternehmen.
Um ein Organ erleichtert und mit einem Gift gefüllten Ei an dessen Stelle später wurde es nun noch absurder. Arina reichte mir ein merkwürdiges Instrument. Es war spitz zulaufend und mit einer Art Gewinde versehen. Dabei deutete sie auf mein Herz und meinte beklommen, dass ich die Blutmagie dort entfernen müsse. Das konnte nur ein schlechter Witz gewesen sein, dachte ich. Jedoch meinte sie dies völlig ernst. Krathus hatte den Zauber fallen gelassen.
Hadernd folgte ich der Anweisung und perforierte mein eigenes Herz, annehmend nun zu sterben. Doch dort, wo das Loch klaffte, strömte kein Blut heraus. Eine Art Barriere versiegelte es scheinbar von innen. Mein Blick traf sie fragend. Doch nun blieb sie still. Meine Panik wuchs. Dann erhaschte ich aber eine wohl nicht beabsichtigte Bewegung von ihr. Sie schien unterbewusst eine Art Quetschbewegung auszuführen. Das konnte sie nicht ernst meinen …
So packte ich denn mein eigenes Herz und drückte es mit all der verbliebenden Kraft zusammen. Plötzlich schoss eine Art schwarzer Nebel heraus. Anschließend musste ich den Inhalt des vorbereiteten Eies hinein füllen. Es war obskur und dieses giftgrüne Yuan-ti Zeug in mein Herz fließen zu lassen war das Letzte was ich wollte.
Danach hatten die Qualen ein Ende. Arina sorgte dafür, dass ich wieder zusammengeflickt wurde und auch das zuvor entfernte Organ wieder an seinen Platz fand. Die vorherige Entnahme sollte laut ihrer Aussage im Bestfall den Verwandlungsprozess verhindern, den sie durchgemacht hatte. Meine Hoffnung war groß, denn als Schlange wollte ich sicher nicht leben müssen.
Noch nie in meinem Leben hatte ich so unvorstellbare Schmerzen wie in diesem Augenblick. Mein ganzer Körper schrie auf. Doch zeitgleich hatte ich auch den Eindruck, dass eine Art Last genommen wurde. Etwas das wie ein Anker gewirkt hatte, der mich unter Wasser gehalten hatte. Es war ein eigenartiges Empfinden.
Statt mir direkt eine Verschnaufpause zu gönnen, kam nun aber noch das Thema mit Garret auf. Die Blutmagie sei nicht ungefährlich, denn ein mächtiger Blutmagier könnte jemanden, der mit einem Blutfluch infiziert sei sogar übernehmen, erzählte Arina. Ausgehend davon, dass der große Rote sich diese Magie aktiv zunutze machte, war dies eine echte Gefahr. Garret ging davon aus, dass sein Meister ihn damals mit solcher Magie gerettet habe. Um es aber mit Genauigkeit sagen zu können musste ein Test gemacht werden.
Dass ich dabei wieder zum Opfer wurde gefiel mir gar nicht. Aber was mir noch weniger gefiel war, wenn wir Gefahr laufen sollten eine Bedrohung in den eigenen Reihen haben zu können. Garret aber druckste herum und wandte sich wie eine Schlange. Was war sein verdammtes Problem, hatte er nicht begriffen wie gefährlich es sein konnte, wenn er im Zweifel von dem Drachen – oder wer weiß wem sonst noch – kontrolliert werden konnte!?
Ihn zu überzeugen einen simplen Test zu machen schien irrational lange zu dauern. Arina schritt schon vorab direkt zur Tat und wollte erneut an mein Herz heran. Als es um mein Blut ging, dachte ich an all das, was hier sowieso schon weit verbreitet ausgelaufen war. Die hatten doch alle eine Klatsche. Nichtsdestotrotz nahm sie ihre Probe und bot sie nun Garret an. Und dieser weigerte sich.
Wollte der Kerl mich verarschen!? Mir stachen sie ins Herz und holten da diesen rotgrünen Mist raus und er weigerte sich damit den Test machen zu wollen. Ich war wenig freundlich in meinem Verlangen, dass er zusehen sollte es verdammt nochmal zu akzeptieren. Schließlich stimmte er zu und Arina konnte bestätigen, dass er in der Tat unter Blutmagie litt.
Sicherlich keine guten Nachrichten, aber es war notwendig gewesen es zu wissen. Mehr noch mussten wir direkt handeln. Dieser Halbling war eine wandelnde Gefahr in diesem Zustand. Arina bot an das Prozedere morgen mit ihm durchführen zu können. Seine Abneigung war aber von Weitem zu spüren. Ich hatte aber für den Moment auf jeden Fall die Schnauze voll von alledem.
Die anderen halfen mir hinauf ins Schlafgemach und so erholten wir uns, oder vielmehr ich mich, erst einmal.
Zumindest war das der Plan, doch als ich zu Bewusstsein kam war ich plötzlich umzingelt von Feinden. Sofort stürmte ich hervor und verteidigte mich. Ich schlug auf ein Ziel ein. Ich umwickelte es mit meinem Schwanz, damit es nicht fliehen konnte. Ich biss es, gerade als wollte ich es verschlingen. Dann fing es an mir zu dämmern das irgendetwas nicht stimmte. Die Feinde waren in der Überzahl und so hatte ich keine Chance. Als ich erheblich verwundert worden war löste sich der Schleier.
Es waren Ava, Krathus und Garret gewesen. Offenbar hatte ich mich beim Eindösen in einen Yuan-ti verwandelt gehabt. Glücklicherweise stoppte die Wirkung und mein altes Ich kam wieder zum Vorschein. Aber es war für uns alle eine wenig erfreuliche Überraschung gewesen. Der Rest unserer Ruhezeit verlief ohne weitere Zwischenfälle. Und schon am nächsten Morgen lies uns Harkis mit einer Spur widerlichen Schlangenhochmuts und einem Anflug von Amusement wissen, dass er sowas schon erwartet hatte. Scheinbar konnte man es aber zu kontrollieren lernen, was mir etwas Hoffnung gab.
Nachdem wir eine Kleinigkeit zu uns genommen hatten, gab uns Arina einige Neuigkeiten. Sie hatte die Nacht über geforscht und einen weniger radikalen Weg gefunden die Blutmagie aus Garret zu bannen. Dieser verweigerte jedoch weiterhin seine Kooperation. Er schwafelte etwas von seinem Meister und wie er Kontakt zu ihm aufbauen wollte – zumindest den Resten in ihm, die durch die Blutmagie gebannt worden waren. Doch keiner von uns fand diese Wiedervereinigung wertvoller, als unsere Leben oder gar die Aufgabe, der wir uns verschrieben hatten.
Es ging darum den großen Roten aufzuhalten und diese Region vor ihrem Untergang zu bewahren. Doch Garret war wieder einmal typisch Garret. Vernunft war ihm ein Fremdwort. Selbst nach allem, was wir bisher durchgemacht hatten. Meine Wut stieg ins Unermessliche. Einen Shadar-Schläfer in der Gruppe zu haben war jenseits meiner Akzeptanz. Krathus war schon ein Fall für sich, doch zumindest schenkte ihm der Drache aufgrund seines Rituals keine Aufmerksamkeit.
Keiner drang zu ihm durch. Arina machte schließlich den Vorschlag, dass sie versuchen könnte den Kontakt der beiden herzustellen und Garret so in die Lage versetzt würde die Situation mit seinem Meister zu besprechen. Selbst jetzt zögerte er die Dinge noch heraus, willigte aber schlussendlich ein. Vielleicht würde der weise alte Mentor ihm ein wenig gesunden Menschenverstand einbläuen können, sofern der wirklich noch in ihm rumgeisterte.
Nachdem Garret fixiert war operierte Arina mit Ava’s Hilfe an seinem Hirn herum. Auch wenn ich glaubte zu sehen, wie Ava etwas zu tief bohrte und ein Stück herausriss. Innerlich zuckte ich mit den Schultern, da ich nicht davon ausging das dort noch mehr kaputt gemacht werden könnte. Es dauerte nicht lange da meinte Garret er habe Kontakt. Ich war überrascht. Dann hörten wir lange Zeit nichts von ihm. Er lag einfach nur da.
Einige Zeit später erklärte er, dass alles gut sei. Sein Meister sei noch da und wolle ihn unterstützen. Folglich sollte die Blutmagie bestehen bleiben. Wir waren fassungslos. So fassungslos, dass wir Suna’s „Im Namen Shadar Logoth’s“ und das Verschwinden von ihr und Krathus nicht wirklich realisierten. Er hatte tatsächlich nicht begriffen welche Gefahr dies mit sich führte. Die Seele des alten Knackers war niemals einem zum Gott aufsteigendem Drachen gewachsen, der mit Blutmagie spielte wie ein Kind mit Ameisen. Ich war drauf und dran eine gewalttätige Lösung herbeizuführen, als wir uns plötzlich beobachtet fühlten.
Aus dem an der Decke über dem Operationstisch hängendem Spiegel blickte uns ein Teil der Fratze eines Drachen an. Schon im nächsten Moment füllte sich der Raum mit Feuer. Ich verlor kurz das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam brannten die magischen Feuer des Drachenatems um uns herum. Wir hatten alle Hände voll zu tun den Feuern an den Körpern unserer Gefährten Herr zu werden. Krathus war dabei besonders hilfreich, als er die Flammen nacheinander bannte.
Dann begann das Gebäude nachzugeben. Scheinbar hatte das Feuer die tragende Struktur beschädigt. Arina rannte los Forschungsunterlagen retten zu wollen, Krathus setzte ihr nach. Wir restlichen suchten einen anderen Weg hinaus. Ava war aufgrund dessen, dass sie allen anderen half im Verzug. Ich selbst war heftig angeschlagen und würde den Kollaps kaum lebend überstehen. Weswegen ich mit einer Verwandlungsmagie in einen Riesenaffen transformierte, Ava ergriff und meinen Weg hinauf begann. So kamen wir zu einem großen Fenster. Es ging tief hinab und uns lief die Zeit davon, bevor der gigantische steinerne Schlangenkopf kollabieren würde.
Verzweifelt überlegte ich was wir tun konnten und setzte schließlich alles auf eine Karte. Ich befahl allen zu springen. Kaum in der Luft suchte ich Zugang zu der Nexusmagie. Und tatsächlich funktionierte es, so das wir sanft zu Boden glitten. Scheinbar hatten es alle geschafft. Zuletzt auch Harkis, der sich während all der Zeit woanders im Gebäude aufgehalten hatte.
So standen wir vor den Ruinen dessen, was kurz zuvor noch der Herrschaftssitz von Sshistana gewesen war. Nun richteten sich alle Augen auf Krathus …